In der Debatte über kulturelle Identität und Minderheitenrechte in Deutschland spielt die Frage nach dem Status der Ostfriesen eine oft übersehene, aber wichtige Rolle.
Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten
Seit Februar 1998 ist in Deutschland das "Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten" des Europarates in Kraft. Dieses Abkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die kulturelle Identität und die Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten zu schützen und zu fördern. Es bietet eine rechtliche Grundlage für den Erhalt regionaler Identitäten, die Förderung von Sprache und Kultur sowie den Schutz vor Assimilierung.
Dr. Christoph Bergner, damaliger Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, bestätigte 2008 unmissverständlich: "Die Zugehörigkeit der Gruppe der Ostfriesen zur friesischen Volksgruppe und damit zu den geschützten nationalen Minderheiten in Deutschland ist unstrittig." (Erste Stellungnahme des Minderheitenbeauftragten, 2008)
Doch die Praxis sieht anders aus: In der Broschüre "Nationale Minderheiten in Deutschland" des Bundesinnenministeriums waren auf einer Karte der Siedlungsgebiete nur die Saterfriesen in Niedersachsen verzeichnet, nicht aber die ostfriesischen Kerngebiete in den Landkreisen Aurich, Leer, Wittmund und der Stadt Emden – jenes Gebiet, in dem sich auch der Upstalsboom befindet.
Obwohl die friesische Sprache in Ostfriesland bereits um 1500 vom Niederdeutschen abgelöst wurde, bestätigt selbst das Bundesinnenministerium: "Eine ostfriesische kulturelle Identität wird bei der Mehrheit der zwischen der niederländischen Grenze und der Weser lebenden Menschen weiter gepflegt."
Dies unterstreicht, dass kulturelle Identität weit über Sprache hinausgeht. Sie umfasst gemeinsame Werte, Traditionen und ein historisches Bewusstsein – in unserem Fall das Erbe der "friesischen Freiheit".
Volksgruppe oder nationale Minderheit?
Ein weiterer Streitpunkt ist die Bezeichnung. Offiziell werden die Friesen als "friesische Volksgruppe" bezeichnet, nicht als "nationale Minderheit" – obwohl ihnen laut Rahmenübereinkommen der gleiche Schutzstatus zusteht. Diese Unterscheidung geht auf historische Entscheidungen zurück, führt aber in der Praxis zu Missverständnissen.
In seiner Anfrage (Brief von Torsten Bruns, 2010) kritisiert Bruns die Aussage in offiziellen Dokumenten, dass "Ostfriesen sich nicht als nationale Minderheit verstehen" als pauschalisierend. Er schlägt vor, die Friesen künftig als "Nationale Minderheit der friesischen Volksgruppe" zu bezeichnen, um sowohl dem historischen Selbstverständnis als auch den modernen rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
Die Reaktion des Ministeriums (Zweite Stellungnahme des Minderheitenbeauftragten, 2010) zeigt eine gewisse Offenheit: Man würde in künftigen Auflagen der Broschüre die ostfriesischen Gebiete berücksichtigen, sofern unter den Ostfriesen Einigkeit über ihre Siedlungsgebiete bestehe.
Praktische Bedeutung dieser Anerkennung
Die Anerkennung als Teil einer geschützten Minderheit hat praktische Auswirkungen auf die Förderung kultureller Arbeit, auf die Sichtbarkeit der Region und auf den Erhalt der ostfriesischen Identität. In einer Zeit, in der regionale Kulturen durch Globalisierung unter Druck geraten, ist der rechtliche Schutz durch das Rahmenübereinkommen ein wichtiges Instrument gegen fortschreitende Assimilierung.
Der Einsatz für die klare Anerkennung der Ostfriesen als Teil der friesischen Minderheit ist daher nicht nur eine Frage des Stolzes, sondern hat praktische Bedeutung für den Erhalt unserer kulturellen Eigenständigkeit.